Hi @ all.
Claudschi, Dir hab ich ausführlich ja schon per Mail geschrieben, aber ein paar Worte will ich hier auch loswerden.
Ich für meinen Teil war schon mit wesentlich gestörteren Leuten unterwegs als mit denen, die regelmäßig auf der GG dabei sind. Die Gefahr, dass sich hier im Forum jemand zum hirnlosen Raser entwickelt, bloß weil er am Glockner ordentlich am Gas hängt, sehe ich eigentlich nicht. (Ja, da spreche ich auch von mir). Und im Vergleich zu dem, was z.B. im Kesselberg-Forum abgeht, wo sich die Gixxer und sonstigen Gebückten tummeln, sind unsere "Heut' hab ich alles stehen lassen"-Gespräche beim Bier nach der GG eh fast lächerlich. Von denen hat jeder schon öfter an der Himmelstür geklopft als wir alle zusammen, das trau ich mich wetten.
Ich halte hier eigentlich alle für halbwegs erwachsen Schrägstrich vernünftig und habe durchaus den Eindruck, dass die Meisten ihr Können schon recht realistisch einschätzen. Das sieht man sogar am Glockner. Dabei gelten dort meiner Meinung nach irgendwie eigene Regeln. Ich hab jedenfalls dort das Fahren gelernt, Grenzen ausgetestet, natürlich auch Fehler gemacht und dabei orangene Streifen in der Kehre gezogen. Aber trotzdem finde ich, dass man das Fahren am Glockner nicht mit dem Alltagsverkehr vergleichen kann. Dort sind die Kehren großteils übersichtlich, der Straßenbelag zu 99% unkritisch, der Autoverkehr großteils langsam und berechenbar, LKWs nicht vorhanden und Busse generell dumm. Und auch wenn man öfter als sonst Murmeltiere und Schafe auf der Straße sieht finde ich, dass man dort etwas "befreiter" fahren kann, als sonst. So geht es jedenfalls mir. Ich bin sonst auch bei Weitem nicht so zügig unterwegs wie am Berg - auf der Landstraße fährt da deutlich mehr Verstand mit. Und ich schätze, das geht Euch auch so.
Deswegen glaube ich auch, dass das, was wir bei jeder einzelnen Glocknertour dazugelernt haben, weniger die persönliche Selbstüberschätzung fördert, als es uns Vorteile in brenzligen Situationen beim "normalen Fahren" bringt und ab und zu vielleicht sogar den Arsch rettet. Und ich bin froh, dass Claudschi das auch so sieht. Ich fahr seit meinem Schräglagentraining ja auch nicht jede Kurve auf der Straße in doppeltem Tempo mit dem Knie am Boden. Aber es gibt Sicherheit zu wissen, dass es ginge - und wie man es macht. Seit den Stunden auf dem Flügelmotorrad weiß ich auch, wie empfindlich ein Motorrad in extremer Schräglage auch auf minimale Lastwechsel reagiert - und welche Schräglagen man wirklich fahren kann, wenn man diese vermeidet. Das kann man sonst ja schlecht gefahrlos austesten. Möglicherweise war das auch der Grund für Claudschis Abflug oder für meinen damals in der Kehre - ein unbewusstes Nachlassen am Gasgriff in Schräglage oder eine kleine Bewegung mit dem Fuß auf der Bremse, wer weiß. Üben bringt jedenfalls Sicherheit, bessere Technik und Fahrzeugbeherrschung. Und das ist mit Sicherheit nichts Schlechtes. Ob sich jemand davon verleiten lässt, auch auf unbekannten Strecken schneller zu fahren als bisher - oder sich durch andere anstacheln lässt - ist reine Kopfsache. Aber das hat meiner Meinung nach mit unseren "Bergrennen" am Großglockner nichts zu tun.
Dass Motorradfahren nicht die ungefährlichste Freizeitbeschäftigung ist, darüber brauchen wir nicht zu diskutieren. Das ist Fakt - und trotzdem tun wir es. Genauso, wie sich einige von uns 3x pro Woche saftige Rindersteaks reinhauen.
Aber erwischen kann es uns überall, da hab ich Claudschi auch schon einiges drüber geschrieben. Nur soviel:
Ich persönlich sterbe lieber glücklich mit meinem Motorrad an einem Baum, als dass die Leute irgendwann an meinem Grab stehen und sagen: „Das Rauchen und das Motorradfahren hat er aufgegeben weil er dachte, es bringt ihn irgendwann um - und jetzt hat ihn ein besoffener Autofahrer an der Bushaltestelle umgemäht.“
Warum gehen Physiker Fallschirmspringen? Warum gehen Ingenieure Bergsteigen? Warum gehen Unfallchirurgen Mountainbiken? Warum gehen vernünftige Menschen wie wir Motorradfahren? Weil wir nicht wissen, was passieren könnte? Sicher nicht.
Wir tun es, weil wir 40, 50, 60 Stunden in der Woche vernünftig sind. Arbeiten. Geld verdienen. Uns der Gesellschaft anpassen. Leben? Nein.
Das tun wir in der einen Stunde pro Woche, in der wir unserem unvernünftigen, widersinnigen, gefährlichen Hobby nachgehen. Wohl wissend, dass wir dabei mit unserem Leben spielen. Oder vielleicht sogar genau deswegen. Und trotzdem ist es uns das Risiko wert. Denn genau dann leben wir. Genau dann spüren wir das Adrenalin, das Blut in unseren Adern, den Wind in unserem Gesicht. Genau dann sind wir frei.
Das mag jetzt vielleicht oberflächlich oder abgedroschen klingen - aber wer alles sein lässt was ihn glücklich macht, der kann am Ende seines Lebens auch nicht sagen: "Ich habe gelebt". Darum tun wir, was wir tun. Darum fahren wir Motorrad. Und verdammt, das ist auch gut so.
Liebe Grüße
Chris