Hi,
die Frage ist ja ganz interessant, zumindest als Denksportaufgabe. Ich habe hier keine konkreten Zahlen, philosophiere aber doch so gerne...
(Wer wirklich praktisches Interesse an der Frage hat, sollte es besser einfach ausprobieren, ihm werde ich nicht helfen. Wenn ich mir beim Fahren zu langsam vorkomme klappe ich einfach das Visier hoch ;-)
Die denkbaren spontanen Ansätze sind ja
- der Motor muss möglichst nah am Leistungsmaximum laufen
- der Motor muss möglichst an seinem Drehmomentmaximum laufen
Beides ist falsch, zumindest unvollständig.
Die Beschleunigung ist (bei konstantem Gewicht) nur eine Frage des Drehmoments. Aber nicht das Drehmoment des Motors ist wichtig, sondern das des Rades! Denn dieses Drehmoment wirkt direkt als Beschleunigungskraft auf die Straße.
Die Drehmomentkurve des Rades hat die gleiche Form wie die des Motors, es ist ja nur eine Übersetzung dazwischen. Es gibt also irgendwo ein Maximum. Würde man die Kurve des Drehmoments am Rad über die Geschwindigkeit aufzeichnen, könnte man sofort sehen, bei welcher Geschwindigkeit die Maschine am besten beschleunigt.
Am Rad hängt das Drehmomentmaximum aber vom Gang ab. Die Gangschaltung tauscht das Drehmoment gegen Drehzahl ein. Je höher der Gang, desto größer die Drehzahl (des Rades) und desto kleiner das Drehmoment. Wir bekommen also nicht eine Drehmomentkurve für das Rad, sondern eine ganze Schar. Eben eine eigene Kurve für jeden Gang.
Würden wir alle diese Kurven in das selbe Diagram (Drehmoment über Geschwindigkeit) malen, würde die Kurve für den ersten Gang also am höchsten liegen. Das Drehmoment Maximum würde sich dabei bei einer recht kleinen Geschwindigkeit einstellen. Je höher nun der Gang ist, desto mehr würde die Kurve in X-Richtung gestreckt, und desto tiefer würde sie insgesamt im Diagram verlaufen.
Alle Kurven haben ja prinzipiell die gleiche vom Motor abhängige Form, also ein Maximum und danach einen mehr oder weniger stetigen Abfall. Die Kurve des ersten Ganges würde dabei irgendwann die darunter liegende Kurve des zweiten Ganges schneiden. Bei höheren Geschwindikeiten ist dann also das Drehmoment im zweiten Gang das höchste, bis die Kurve des zweiten Ganges wiederum die des dritten Ganges schneidet u.s.w.
So, diese Schnittpunkte liegen nun genau an den Geschwindigkeiten, an denen ihr hochschalten müsst. Ihr müsst euch also aus dem Diagram immer die Teilstücke heraussuchen, die gerade am höchsten liegen, und euch so von Gang zu Gang hangeln. Die Geschwindigkeit könnte man ja für den jeweiligen Gang in Motordrehzahl umrechnen.
Ganz einfach, oder?
Jetzt kann dabei noch eine Sache schiefgehen: Es kann passieren, dass man in einem bestimmten Gang die maximal mögliche Drehzahl erreicht, noch bevor das Drehmoment unter das des nächsten Gangs abfällt. Dann muss man genau am Ende des erlaubten Drehzahlbandes hochschalten, eine Alternative gibt es nicht. Dass dies passiert glaube ich aber nicht, weil das Drehmoment bestimmt vorher schon sehr stark abfällt.
Die Schnittpunkte werden aber vermutlich bei sehr hohen Drehzahlen liegen. Ein Hochschalten lohnt sich eben erst, wenn das Motordrehmoment so stark abgefallen ist, dass der Drehmomentvorteil des kleineren Ganges aufgehoben ist.
Ich bin noch nicht fertig, ich haben das Phänomen der Höchstgeschwindigkeit ja noch garnicht betrachtet. Bekanntlich schafft es der Motor nicht, die Maschine im sechsten Gang bis zur höchstmöglichen Drehzahl vorzutreiben. Das eben beschriebene (gedachte) Diagram hat ja insgesamt die Eigenschaft, dass das am Rad verfügbare Drehmoment bei höheren Geschwindigkeiten immer kleiner wird (wenn auch nicht unbedingt streng monoton). Gleichzeitig werden die Widerstände durch Reibung und Wind immer größer. Irgendwann entsteht hier ein Gleichgewicht, bei dem die gesamte Beschleunigungskraft aufgehoben wird. Die Maschine kann nur noch mit konstanter Geschwindigkeit rollen. Je nach Windwiderstand kann diese Geschwindigkeit durchaus noch in einem Bereich liegen, in dem das größte Drehmoment im fünften Gang vorliegt. Das ist der Grund, warum es nicht immer etwas bringt, noch in den sechsten Gang zu schalten.
Und was besagt nun die Leistungskurve? Nichts neues. Die Leistung ist ja einfach - wie schon zu lesen war - das Drehmoment multipliziert mit der Drehzahl (die Konstanten interessieren jetzt nicht). Dadurch steigt die Leistungskurve mit steigender Drehzahl zunächst immer schön an. Man sieht dabei gut, wie der Motor beansprucht wird. Für die Berechnung hilft es aber nicht, denn letztlich wird die Leistung ja auch nur durch das abfallende Drehmoment begrenzt. Dass der Motor die Leistung, die er über das Drehmoment abzugeben vermag, auch verkraftet, z.B. thermisch, dafür hat Honda schon gesorgt. Ich konnte mich deshalb auf die Betrachtung des Drehmoments beschränken.
Grüße
Rainer, schmunzelt vergnügt